«Wir halten hier zusammen»

Einmal im Monat treffen sich die Kaufleute und Handwerker aus ihrem Teil des Viertels, planen die nächsten Stadtteilfeste, sprechen Verkaufspreise ab, plaudern über neue Läden und das, was man an Klatsch aus der Kabuki-Szene hört.

«Asakusa ist nicht Tokyo. Wir hier halten zusammen»

sagt Satomi. «Und irgendwann werden Yuto und Ryoto den Laden übernehmen.» Weil sie rechnen können – nicht aus verklärter Romantik und Nostalgiegefühlen heraus. Für den Blick zurück hat man in Asakusa ohnehin nicht viel übrig. 
«Wer das da neben Opa ist – keine Ahnung», rätselt die Achtundzwanzigjährige, während sie durch ein altes Fotoalbum blättert, das sie der Fremden zuliebe aus einer Kiste gezerrt hat. «Und das hier war wohl der Bau dieser Werkstatt. Nach dem Erdbeben damals, oder Oto-san?» Ihr Vater guckt etwas ratlos: «Tja, vom Erdbeben hat der Grossvater wohl schon öfter erzählt, aber ehrlich gesagt hat ihm nie jemand richtig zugehört.»

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Das grosse Kanto-Beben 1923, Trümmer-Tokyo.

Der Zwölfstöcker barst entzwei, Steinhaufen dort, wo vorher Häuser standen. Die Flammen leckten schon am Sensoji. Da drehte der Wind ganz plötzlich, Regen prasselte auf den Tempel. 
«Ein Wunder», raunten die Leute von Asakusa. Und rappelten sich wieder auf. Damit kannten sie sich aus – Asakusa flirtete mit dem Leben stets wie mit dem Tod. Unzählige Brände hatten die Gassen mit den Holzhäusern immer wieder verwüstet. Beim Feuerwerk, das im Sommerhimmel tanzte. Oder wenn die Trinker im Sake-Suff vergassen, die Kerzen auszudrücken, bevor sie auf ihren Tatamimatten in den Schlaf fielen.

Und schliesslich die Bomben des Krieges.

Immer verscheuchte hernach wieder Aufbruchstimmung die Verzweiflung aus den engen Strassen. Das alte Kaminarimon, das Donnertor mit dem roten Lampion – auferstanden aus Ruinen.
Der Präsident von Panasonic persönlich bezahlte 1960 den Wiederaufbau, aus Dankbarkeit dafür, dass ein Priester vom Sensoji sein Knie geheilt habe. Wer nicht genau hinguckt, könnte es für ein Edo-Relikt halten. Anderswo in den Gassen gab man sich weniger Mühe, schnöden Beton zu verstecken, der die abgebrannten Holzfassaden ersetzen sollte.
Text + Bilder: © "DU - das Kulturmagazin", www.du-magazin.com

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