«Eigentlich fegen Asakusas Leute erst mal vor ihrer eigenen Haustür»,

erklärt er. «Aber rechts und links und nach vorne hin fegt man höflicherweise immer auch genau einen Fuss lang darüber hinaus. 
So ist es hier mit allem: Man guckt immer ein bisschen, was der Nachbar macht. Jeder weiss praktisch alles. Schon weil die Wände so dünn sind. Aber man tut so, als wüsste man nichts. 
Als Halbwüchsiger fand ich das furchtbar. Ich fühlte mich immer unter Beobachtung. Bis ich begriff: Das ist ein Teil meiner Freiheit, dass ich immer gut aufgehoben bin!» Chihiro hat sich nie gefragt, ob auch er, wie sein Vater, die Allzwecktücher, die Tenugui, bemalen wollte, die sie im kleinen Laden im Tempelbezirk verkaufen; er malte einfach. Weniger Mönche und Schreine als sein Vater vielleicht, peppiger und moderner halt.

Nebenbei managt Chihiro den Tempelkindergarten,

plant ein neues, revolutionäres Kabuki-Theater, organisiert Ausstellungen und überlegt schon, wie man noch mehr Touristen nach Asakusa holen könnte, wenn ab 2011 der neue Fernsehturm, der «World Tower Sumidaku», erst einmal in der Nähe steht. Visionen für Asakusa. Für einen Stadtteil, der alt werden, aber nicht altern will. An der Rokkudori, ein paar Strassen weiter, ist unterdessen der Nachmittag eingezogen. Von den Plakaten schreien die grotesk bemalten Gesichter der Kabuki-Schauspieler, die Heiligen der Komödien und Dramen.

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Auf Asakusas Bühnen beginnen oft Weltstadtkarrieren,

immer noch. Die Neujahrsvorstellungen im Engei-Schauspielhaus, wenn die Kabuki-Newcomer sich vorstellen – ausverkauft, alle Jahre wieder. Das Publikum ein buntes Durcheinander. 

«Die schönsten Kimonos kann man da sehen»,

schwärmt eine Frau, die gerade ein Ticket fürs Wochenende kauft. Morgen wird wieder einmal ein Rakugo-Künstler auftreten, ein Geschichtenerzähler. Asakusas Urgesteine, Dinosaurier in der zersiedelten Landschaft der Kultur. Ein paar Werber versuchen halbherzig, ein junges Pärchen ins Theater zu locken, während nur wenige Meter weiter eine Stripshow nackte Tatsachen verspricht.
Text + Bilder: © "DU - das Kulturmagazin", www.du-magazin.com

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